Interviews

Alles gelöscht: Facebook, Instagram, Whatsapp – Interview mit Vokalmatador

7. Januar 2020 von

© Vokalmatador

 

Wie die Bild-Schlagzeile am U-Bahn-Kiosk sind sie inzwischen allgegenwärtig: Die Timelines, Chroniken, Storys, präsentiert durch den Facebook-Konzern. Auch ich konsumiere sie und fühle mich informiert und unterhalten – zumindest manchmal. Jetzt ist einer derjenigen, der mich stets und ständig entertainte und zu meinen Lieblings-Social-Media-Profilinhabern gehört(e) zu Beginn des Jahres 2020 verschwunden: Vokalmatador. Seine Accounts schweigen, kein Lebenszeichen, lediglich bei Twitter ist er noch aktiv. Nicht ganz unerwartet, denn schon im Dezember kündigte er an seine Apps vom Facebook-Konzern zum Jahreswechsel zu löschen. Warum, wieso, weshalb Vokalmatador diesen Weg geht – ich habe mich bei ihm erkundigt.

Du hast alle Deine Apps vom Facebook-Konzern (also Facebook selber, Instagram und Whatsapp) gelöscht – warum hast Du Dich dazu entschieden?

Nach der Lektüre von mehreren Artikeln und einem Buch („10 Gründe, warum Du Deine Social Media Accounts löschen musst“ von Jaron Lanier) habe ich mich länger mit dem Thema befasst und sowohl persönliche als auch politische Gründe dafür gefunden, meine Daten und meinen Content nicht mehr FB in den Rachen zu schmeißen. Im Gegensatz dazu suche ich nach neuen Wegen, meine Inhalte zu veröffentlichen und zu bewerben. Es ist in jedem Fall auch eine politische Entscheidung, weg von FB zu gehen und mich von der Manipulation zu befreien. Bisher ist es noch schwer, weil es mich sehr stark abhängig gemacht hat und man auf einmal weniger im Kontakt mit Leuten steht (warum ist das eigentlich so?).

Das ist auch eine meiner nächsten Fragen: Wo und wie versorgst Du Deine Leute jetzt mit aktuellen Infos, wie kann man Dich auf (öffentlichen) Wegen kontaktieren?

Derzeit nur auf Twitter. Vielleicht richte ich auch noch ein öffentliches Telegram-Profil ein. YouTube und Soundcloud sind ja auch noch da.

Neulich war mein Smartphone defekt, zeitgleich fiel tagelang Zuhause mein DSL aus. In der kurzen internetlosen Zeit bemerkte ich bei mir eine Art sozialer-Umgang-/ Social-Media-Entzug. Du warst auf Insta und Co. auch sehr aktiv. Wie stark vermisst Du das und wie kompensierst Du dies bisher?

Ich bin mies auf Entzug, haha!

Ich bin mies auf Entzug, haha! Kompensiere durch intensiven Twitter-Abuse. Mittelfristig ist es da aber auch so interessant/ uninteressant wie auf FB. Das heißt, ich werde einfach weniger da sein. Hab mir sagen lassen, irgendwann vermisst man es nicht mehr so…

Auch das wollte ich noch fragen: Wie haben Dein persönliches Umfeld, andere Künstler und Deine Fans auf Deinen Move reagiert?

Keine Ahnung, bekomme nix mehr mit, haha! Nee, im Ernst: Der Großteil der Freunde wusste das schon, bei manchen habe ich so ne allgemein gehaltene Mail geschickt und bei manchen Leuten ist es mir egal. SMS oder E-Mail funktioniert, denke ich, bei jedem. Für die Fans tut es mir ein bisschen leid, aber die werden schon mitbekommen, wenn was passiert.

Meinst Du, Mail-Newsletter von Künstlern könnten eine Alternative in der Zukunft werden?

Ich denke, es geht darum, wie man es den Leuten so wenig aufgezwungen wie möglich machen kann. Das erfordert eine gewisse Aktivität von den Interessierten und schließt passive User aus. Ist mir nur recht. Auf keinen Fall will ich noch eine andere Partei (Insta = Facebook) dafür bezahlen müssen, damit Leute was von mir überhaupt zu sehen bekommen. Gleichzeitig ist es, denke ich sinnvoller, näher an den Leuten dran zu sein.

Aber wie siehst Du das denn nun mit den Newslettern? Ich frage auch deshalb so genau nach, weil ich erst neulich von einem Social-Media-Coach den Ratschlag gehört habe, dass gerade Musiker sich der Sache mit dem Newsletter annehmen sollten: Man würde sehr viel Zeit in die Social Medias investieren und dennoch oft nur sehr wenige Leute erreichen. Bei einem Newsletter, so weiter, informiere man natürlich genau die Leute, die sich für einen interessieren, und es gibt auch keinen Algorithmus, der irgendwelche News “unterschlägt”. Kannst Du Dich dieser Aussage anschließen oder ist das für Dich eher Unfug?

Ich denke, das könnte mit Newslettern funktionieren (richtig Future im Jahr 2020 diese Technologie!).

Fotos aus der Instagram-Vergangenheit von Vokalmatador:

Deine Entscheidung wird in der heutigen Zeit durchaus auch als mutig betrachtet: Viel der Promotion, die ein Künstler heute selber in die Hand nehmen kann, läuft eben über genau diese Medien. Als jemand, der schon diverse Phasen in der Hip-Hop-Ära erlebt hat – vom Tape über CD bis zur Mp3, von ohne Internet über Myspace bis zum Giganten Facebook – welche Gedanken und Gefühle löst das in Dir aus, dass das als “mutig” bewertet wird?

Es zeigt, wie immer, dass man auf sich selbst hören sollte und nicht so sehr darauf achten, was alle anderen machen oder wie andere Menschen einen sehen. Manchmal ist es auch gut, genau das Gegenteil von dem zu machen, was die Masse derzeit macht.

Letzte Frage: Denkst Du, Facebook kann sich halten oder wird es untergehen?

Ich glaube, Facebook wird die größte und zerstörerischste Kraft im nächsten Jahrzehnt sein, die alle Politik beeinflusst, Fakenews pusht und es uns unmöglich machen wird Realitäten zu erkennen und freie Wahlen abzuhalten. Gleichzeitig wird es einen weiteren Verfall von gut recherchiertem Journalismus und noch viel mehr Aufregung und Meinungsmache geben dank Facebook. Leider wird Facebook sich sehr lange halten…

Versuchen wir Gegenwind zu erzeugen! Auf jeden Fall Hut-ab für Deine Entscheidung. Ich hoffe auch, dass sich ein paar Leute daran ein Beispiel nehmen oder aber sich zumindest Gedanken machen und ihren Umgang mit bzw. Konsum von Facebook und anderen Internetplattformen hinterfragen. Ich werde bei Twitter, YouTube, Soundcloud oder auch Telegram dran bleiben und mir dort meine Dosis Vokalmatador abholen. Lieben Dank, dass Du Dir für dieses Interview Zeit genommen hast. Alles Beste für Dich!

Danke. Ich hoffe, dass meine düstere Prognose nicht ganz zutrifft und dass wir alle dazu beitragen können, Social Media wieder mehr selbstbestimmt zu machen und uns nicht völlig dem Algorithmus auszuliefern.

Word!

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7. Januar 2020

1 Kommentar

  1. Lony13. Januar 2020 - 17:55Uhr

    Bester Sack #offline

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