Der Coronavirus ist da. In Europa, Deutschland, aber auch in unserer Kultur. Veranstaltungen sind staatlich verboten – das ist gut und richtig so, und gleichermaßen tragisch und existenzgefährend für viele, die in der sogenannten Musikbranche tätig sind, insbesondere die vielen Freiberufler, Kleinunternehmer, Kleinbetriebe oder auch Veranstaltungsstätten, die ohnehin nicht in Geld baden. Es ist unübertrieben zu sagen, dass die Musikkultur gefährdet ist – das ist sie. Mir ist es wichtig zu berichten, was die Coronakrise für konkrete Auswirkungen auf unsere Musikkultur hat und möchte außerdem den tatsächlich Betroffenen eine Plattform anbieten, um sich zu Wort zu melden.
Ich bat Lemur, Rapper und Produzent, seine Sicht der Dinge zur derzeitigen Lage für uns in einem Gastkommentar zu verfassen. Hier ist sein Comment:
…überall herrscht größtmögliches Chaos…
Moin! Ich wurde gebeten hier mal darzulegen, was der Coronashutdown für mich ganz persönlich für Auswirkungen hat, damit es eine Vielzahl an Perspektiven zu dem Thema gibt, die die riesige Tragweite des Ganzen für den Einzelnen vielleicht ein wenig greifbarer machen. Außerdem wurde ich gebeten, Vorschläge für Lösungen zu machen, aus meiner natürlich durchaus beengten Sicht. Aber ohne eine kurze, etwas größere Einordnung ist das für mich irgendwie trotzdem irgendwie nicht machbar. Sorry schon mal!
Also, während Rapmedien gerade weitermachen wie bisher – das heißt Pumperbildchen von Chartrapper XY, der gerade in der Gym-Umkleide am posen ist, möglichst prominent zu featuren – geht gerade all das vor die Hunde, auf das sich gern immer noch berufen wird: Die Hip-Hop-Kultur, die weitaus mehr umfasst, als die paar Geld scheißenden Megastars.
Es hängen unglaublich viele Existenzen am Livegeschäft, die eben nicht ausgesorgt haben, sondern finanziell extrem auf Kante genäht sind … Wie fragil das ganze Business ist, zeigt sich gerade in atemberaubender Geschwindigkeit … was da heißt: Bankrott.
Es betrifft Veranstaltungsorte, Leute die dort beschäftigt sind, Zulieferer, Caterer, Booker, Tourfahrer, Tonleute, Lichtmenschen, Mercher, Promoter, Manager etc. pp. (Ich vergesse gerade bestimmt 30 Berufsgruppen.) Und halt nicht zu vergessen die Künstler, die halt kein finanzielles Polster haben. Es hängen unglaublich viele Existenzen am Livegeschäft, die eben nicht ausgesorgt haben, sondern finanziell extrem auf Kante genäht sind. Das gilt übrigens für jedes Genre, aber ich rede hier erstmal nur von Hip-Hop, weil ich da halt direkte Einsicht habe.
Wie fragil das ganze Business ist, zeigt sich gerade in atemberaubender Geschwindigkeit. Unglaublich vielen Leuten die ich kenne, sind gerade alle Aufträge weggebrochen, Touren wurden gecancelt und Clubs müssen schließen. Schon ab Anfang nächsten Monats können fast alle ihre Verbindlichkeiten nicht mehr bedienen, was da heißt: Bankrott. Miete, Krankenkasse, Locationmiete, Kreditraten etc. können nicht mehr bezahlt werden. Und das heißt ganz real, dass, wenn nicht schnell (!) etwas unternommen wird, der Großteil aller Kulturschaffenden bald auf der Straße sitzt. Nix mehr mit Zirkus und Bespaßung.
Nix mehr mit Zirkus und Bespaßung.
Die Bundesregierung hat kürzlich mit Trara verkündet, Unternehmen unbegrenzte Kredite zu gewähren. Heute hat sie außerdem angekündigt, die Kreativwirtschaft unterstützen zu wollen. Ob dem auch rasche Taten folgen werden, sei erstmal dahingestellt, ebenso, wie das umgesetzt wird.
Was es für mich persönlich bedeutet: Ich musste meine Tour im April absagen. Es wird natürlich fieberhaft nach Ersatzterminen gesucht, aber überall herrscht größtmögliches Chaos, und die Platzhirsche werden auch da natürlich prioritär behandelt. Wir hängen erstmal also alle in der Luft. Mir persönlich bricht der Großteil meiner Jahreseinnahmen weg. Dazu ist das natürlich auch mega übel für meinen Soundmann, für meine Tourmanagerin und meine Bookingagentur.
Trotzdem verliere ich gerade noch nicht den Mut, und denke eher an die Menschen, die gerade im kaputtgesparten Gesundheitswesen ihr Leben aufs Spiel setzen, um die gesundheitliche Grundversorgung irgendwie aufrecht zu erhalten. Ich möchte die Gelegenheit, dass ich überhaupt irgendwo was schreiben darf, dazu nutzen “Danke” zu sagen. Keiner kann sich vorstellen, was ihr nun durchmachen müsst. Liebe für euch!
…sonst ist dieses One-Love-Kultur-Gebrabbel tatsächlich endlich nur noch ne schicke Kette.
Was der Einzelne tun kann?
Zuallererst das Thema als solches auf die Tagesordnung bringen. Liebe Rapmedien: Ihr seid gemeint, sonst ist dieses One-Love-Kultur-Gebrabbel tatsächlich endlich nur noch ne schicke Kette. Nur wenn möglichst viele Leute nachdenken, kann man Lösungen finden. Kauft die Musik von den Künstlern, die ihr mögt, bei „kleinen Künstlern“ am besten bei Bandcamp oder so. Generell: Werdet aktiv. Wo grad eh alle zu Hause sein müssen: Teilt den Social Media-Kram, kommentiert, macht Playlisten etc., streamt, macht, tut:) Und tragt das Thema weiter. Verschafft uns Gehör.
Was ist ne Gesellschaft ohne Kultur wert?
Beste Grüße
Benny (Lemur)
0 Kommentare
Sei der Erste, der ein Kommentar schreibt.