“Was bedeutet es zu heilen? Time to find out oder vielleicht auch nicht.” So lautet die Beschreibung der Spotify-Playlist Healing von Odd John. Nachdem er im Oktober mit den Orsons auf Tour war und im Dezember seine EP “Frust” veröffentlichte, ist für den Marburger jedoch nicht der Zeitpunkt gekommen zu pausieren. Stattdessen produzierte er weiterhin in Eigenregie Musik und meldete sich in verschiedensten Formen zu Wort, unter anderem mit Single-Releases oder in der Twitch-Beatchallenge von Ahzumjot. Ende Mai folgte dann die Ankündigung dieser Playlist:
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Selten (oder vielleicht auch noch nie) habe ich mich von einem Künstler so schnell mitreißen lassen, wie von Odd John. Obwohl sich ein roter Faden durch seine Musik zieht und man beinahe schon von “Oddi-type-beats” sprechen könnte, weiß man nie so recht, was genau als nächstes folgen wird. Um genau das abschätzen zu können, was folgen wird und um das Prinzip hinter der Healing Playlist weiter zu ergründen, habe ich Odd John ein paar Fragen gestellt.
Bei den beiden Tracks, die du jetzt gerade in der Playlist hast (“Allein” & “DWNDIDB”) geht es derzeit super viel um’s Alleinsein. Wie passt das zum Thema “Heilen”?
Das ist tatsächlich eine komplexe Frage. Die beiden Songs haben in ihrer Grundstimmung natürlich schon was mit dem Alleinsein zu tun. “DWNDIDB” war tatsächlich auch schon vor dem Song “Allein” fertig. Das “lyrische Ich” will nicht, dass es gebraucht wird und infolge dessen bin ich dann halt allein. Ich glaub aber nicht, dass das Alleinsein dem Heilen entgegenwirkt, sondern eher dass das eine Voraussetzung für mich war an einen Punkt zu kommen, an dem ich für mich bin. Dass ich mir so sage “An was für einem Tiefpunkt bin ich hier jetzt wieder, warum mach ich das immer mit mir selbst aus”. Das ist dann für mich der Startpunkt zu sagen, dass ich jetzt irgendwas anders machen muss, was anderes versuchen um mich nachhaltiger gut fühlen zu können.
Unabhängig davon, ob du dich privat oft allein fühlst oder nicht, bist du ja aber auch musikalisch etwas allein, oder? Immerhin produzierst du ja ohne Hilfe.
Das ist auf jeden Fall in meiner Musik drin, ich mach halt wirklich alles allein momentan. Deswegen hört sich das auch alles so an, wie es sich anhört. Das ist einfach viel “Ich”.
Im Rahmen deines Ankündigungsvideos hast du ja schon ganz deutlich gemacht, dass die Playlist deinen Heilungsprozess widerspiegeln soll und dass dafür eben auch die Thematisierung von negativen Gefühlen notwendig ist. Bei einer Wunde am Körper ist so ein Heilungsprozess ja irgendwann endgültig abgeschlossen. Kann dieser Punkt musikalisch und mental überhaupt erreicht werden?
Ich denke, das kann ich erst am Ende der Playlist sagen, wie ich mich dann fühle. Dafür muss man glaube ich auch erst einmal den Begriff des Heilens definieren.
Was bedeutet es denn für dich persönlich?
Für mich wäre das gerade, Dinge die mir Spaß machen, unter anderem Musik, entkoppelt von den Dingen, wegen denen ich leide, machen zu können. Musik machen ist für mich in den letzten Monaten so stark verbunden gewesen mit Ängsten. Ich habe das Gefühl, jetzt schreibe ich gerade Songs, die nicht so wertend sind. Ich schreib die ja einfach nur und versuch die dann rauszuballern, anstatt so viel darüber nachzudenken. Ich möchte einfach nur wieder zurück zu dem, wie ich Musik gemacht habe, bevor ich mir so den Kopf zerbrochen habe.
Also so Musik machen, wie du es vor deiner “Frust” EP gemacht hast? Bereust du den Prozess der EP rückblickend?
Frust war wirklich das erste Mal, dass ich Musik mit Plan und Intention hinsichtlich “Wie kann ich die an den Mann bringen” gemacht habe. Ich hab schon gemerkt, dass das gute Seiten hat, aber insgesamt gefällt mir das einfach nicht so. Die Musik bin ja einfach Ich, Odd John ist ja nicht so 100% Künstler, sondern das bin einfach Ich. Das kann ich vorab nicht so einrahmen. Die EP hat mich auf jeden Fall sehr nachdenklich gemacht. Danach hatte ich auch so einen richtigen Release-Breakdown, das war richtig schlimm. Das lag daran, dass vorne und hinten nichts so richtig gestimmt hat für mein Empfinden. Das Tape, die Aufmachung, irgendwie passte das alles nicht richtig. Aber jetzt gerade ist das besser.
Geht es dir jetzt mir der Playlist vielleicht auch dadurch ein wenig besser, dass du dich nicht beschränkst? Beispielsweise hast du ja kein Limit, wie viele Songs es insgesamt werden sollen.
Absolut! Ich mach das einfach so lang, wie es sich gut anfühlt. Und irgendwann kommt der Punkt, wo ich nochmal auf einem anderen Level bin, wo ich mein Mindset hinterfrage. Dann ist die Playlist für mich auch vorbei. Jetzt gerade geht es nur darum Musik zu machen, ohne mich ausschließlich schlecht zu fühlen.
Und denkst du, dass das funktionieren wird? Dass du dein Mindset ändern wirst?
Gerade funktioniert das echt ganz gut. Ich bin ziemlich happy darüber, wie das gerade läuft. Ich mache meine Lieder, schicke sie weg, kriege ein Artwork, lade das hoch und dann kann ich einfach meinem Leben nachgehen ohne ständig an meiner eigenen Musik zu verzweifeln.
Das ist ja ein Konzept, das sich in erster Linie auf deine eigenen Emotionen bezieht. Glaubst du trotzdem, dass Zuhörer*innen das vielleicht mitfühlen und gemeinsam mit dir heilen können?
Ich wünsche mir das, ja. Aber ich glaube das kann ich erst sagen, wenn ich in Songs auch Sachen thematisiere, die die Leute schneller und einfacher nachempfinden können. Die Songs jetzt gerade sind ja schon sehr aus meinem eigenen Kosmos, in den haben vielleicht nicht so viele Leute einen Einblick. Aber ich frag mich echt immer, was die Songs in den Leuten so auslösen. Bei diesem “Du willst nicht dass ich dich brauch” ist das ja schon ein Statement, das man nachempfinden kann, aber ich erzähle da ja sehr spezifisch von meinen Gefühlen. Ich weiß gerade noch nicht, inwieweit andere da mit mir mit heilen können. Schwierige Frage.
Im Interview mit rap-n-blues.com hast du gesagt, dass du möglicherweise gar keine Songs schreiben willst oder kannst, wenn es dir gut geht. Was heißt das für den Zeitpunkt nach der Healing Playlist? Machst du dann plötzlich Gute-Laune-Musik?
Ich bin tatsächlich sehr großer Fan von Musik, die einem gute Laune macht, nicht nur die Lyrics sondern auch so ein positiver Grundsound. Aber mir ist aufgefallen, dass ich solche Musik überhaupt nicht schreiben kann. Ich glaube, ich habe nicht einen Song, der irgendwie eine positive Laune vermittelt. Aber genau das würde ich vielleicht gerne erreichen, dass ich am Ende dieser Playlist auch ein bisschen mehr Mut habe Songs zu schreiben, die für mich wertvoll sind, ohne von meinem Leid zu berichten. Gerade habe ich noch das Gefühl, wenn meine Musik nicht von meinem Leid handelt, hat meine Musik keine Tiefe. Warum soll ich darüber schreiben, wie gut es mir geht? Aber irgendwie würde ich an den Punkt doch gerne hinkommen. Ich glaube, das wird im Laufe der Playlist tatsächlich passieren, da bin ich mir ziemlich sicher.
Also läuft das mit der Playlist derzeit so, wie du dir das vorgestellt hast?
Diese Playlist ist Fluch und Segen zugleich. Auf der einen Seite hab ich noch nie so sehr das Gefühl gehabt, so frei releasen zu können, wie jetzt gerade in diesem Konzept. Auf der anderen Seite denk ich mir, wenn ich jetzt doch mal keinen Bock haben sollte Musik zu machen, dann fühle ich mich jetzt so ein bisschen dazu gezwungen. Vielleicht veröffentliche ich dann durch diesen selbst auferlegten Zwang irgendwas, was ich gar nicht dieses Jahr gemacht habe, was ja eigentlich das Konzept dahinter kaputt macht. Jetzt gerade zum Beispiel bin ich ein bisschen raus und mache wenig Mucke, weil ich mich auf andere Sachen in meinem echten Leben konzentriere.
Kannst du auch, wenn du zwischenzeitlich Zweifel am Konzept hast, ein gutes Schlusswort finden, warum man “Healing” trotzdem live mitverfolgen sollte?
Lohnen wird es sich erst einmal auf jeden Fall wegen des Sounds. Ich habe soundtechnisch in den letzten paar Monaten voll viele Geschmacksveränderungen durchgemacht. Das wird ein super experimentelles Ding. Ansonsten macht es Sinn, bei der Playlist dranzubleiben, um ein bisschen besser verstehen zu können, wie ich als Künstler funktioniere. Ich würde einfach gerne noch ein bisschen besser verstanden werden und ich bin mir ziemlich sicher, wenn Leute wissen wollen, wie ich drauf bin, dann können sie einfach an der Playlist dranbleiben und das hoffentlich ein wenig besser nachvollziehen können.
Ich bin gespannt. Danke dir für deine Zeit.
Autorin: Nelleke Schmidt
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